Der Musikwissenschaftler und Hörforscher Kai Siedenburg kehrt im Rahmen einer „Niedersachsen-Impuls-Professur“ an seine alte Wirkungsstätte zurück. Die Professur führt ihn an das Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität. Gefördert wird das Projekt mit rund 2,2 Millionen Euro von der Volkswagenstiftung. Es soll Siedenburg helfen, neue Möglichkeiten zu erforschen, Musik zu erleben. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre. Das meldete die Universität Oldenburg in einer Pressemitteilung. Zuletzt war Siedenburg Professor für Kommunikationsakustik an der TU Graz in Österreich.
Die neuen Möglichkeiten, die Siedenburg erforschen wird, sollen sich an den individuellen Eigenschaften von Menschen orientieren und über das reine Hören hinausgehen. Im Blick hat er dabei insbesondere Menschen, die aufgrund eines Hörverlusts auf technische Unterstützung angewiesen sind.
„Obwohl Hörgeräte inzwischen spezielle Musikeinstellungen bieten, ist das Ergebnis oft nicht befriedigend. Und mit Cochlea-Implantaten lassen sich Tonhöhen und Klänge verschiedener Instrumente nur schwer unterscheiden, was den Musikgenuss schmälert“, erklärt Siedenburg. Seit seiner Promotion erforscht er, wie Menschen Musik wahrnehmen. Nun untersucht er Möglichkeiten, die Musikwahrnehmung zu erweitern. Dabei geht es etwa darum, technische Hilfsmittel so zu personalisieren, dass Menschen mit Hörminderung „über ‚ihren‘ Mix im Kopfhörer zum Beispiel ein Konzert genauso genießen können wie alle anderen“, schreibt die Uni Oldenburg. Auch wie Musik für welche Hörprofile abgemischt sein muss, wird Teil von Siedenburgs Forschungsprojekt sein.
Allerdings will man sich nicht allein auf die Wahrnehmung mit den Ohren beschränken. Es soll auch untersucht werden, wie taktile Wahrnehmung über die Haut dabei helfen kann, einzelne Details der Musik wahrzunehmen. Beispielhaft ist hier die britische Schlagzeugerin Evelyn Glennie: Als Jugendliche durch eine Nervenkrankheit schwerhörig geworden, habe sie sich nach eigenen Angaben beigebracht, Klänge anhand ihrer Vibrationen zu unterscheiden, die sie mit ihrem ganzen Körper wahrnimmt.
„Anstatt sich auf das eingeschränkte Ohr zu konzentrieren, hat sie damit für sich einen neuen Signalweg erschlossen“, sagt Siedenburg. Erforscht wurde dies bisher kaum – das will man nun ändern.